Marta Pagans

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Von Anwalt bis Zirkus-Artistin – Quereinstieg in die Übersetzungsbranche

Mit 17 wusste ich es: Ich will Übersetzerin werden. Ich habe Übersetzung studiert und die letzten 20 Jahren diesen schönen Beruf ausgeübt. Ja, ganz schön geradlinig, mein beruflicher Werdegang ...

Vielleicht deswegen finde ich die Werdegänge von Quereinsteigerkollegen und -kolleginnen so faszinierend. Sie haben etwas anderes gelernt oder studiert. Einige haben sich jahrelang einem anderen Beruf gewidmet. Sieben wunderbare Menschen haben sich bereit erklärt, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mit uns hier im Blog zu teilen. Faszinierend, nicht wahr?



Belinda Grace Fischer

© privat


Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du Marketingübersetzerin geworden bist.

Hi, ich heiße Belinda und bin Marketingübersetzerin (Deutsch ↔ Englisch) und Texterin für die Bereiche E-Commerce und SaaS. Ich bin Deutsch-Amerikanerin und komme aus Bayern, wo ich aktuell auch wieder lebe. Im letzten Jahrzehnt war ich viel in der Welt unterwegs und habe u. a. ein 6-monatiges Praktikum in Singapur gemacht und 6 Jahre lang zum Studieren und Arbeiten in England gelebt.

Sprachen waren schon immer mein Ding. Das Übersetzen fing gleich nach dem Abi an, als ich bei einem großen deutschen Bauzulieferer E-Learning-Inhalte vom Deutschen ins Englische übersetzt und später auch erstellt habe. Danach war in jedem Angestelltenjob (zum Beispiel als Assistenz der Geschäftsleitung bei einer deutsch-amerikanischen Firma) das Übersetzen ein wichtiger Bestandteil.

Im „Intercultural Business Communication“-Masterstudium war ich besonders fasziniert vom internationalen Marketing und habe nach meinem Abschluss auch gleich in einem E-Commerce-Unternehmen als Marketingangestellte fürs Deutschland-Team gearbeitet.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteigerin in der Übersetzungsbranche?

Ich sehe mich nur bedingt als Quereinsteigerin, denn mit Übersetzung hatte ich immer wieder an der Schule und Uni zu tun. Am Anfang meiner Freelance-Zeit (2019) hatte ich manchmal das Gefühl, dass ich den „geradlinigen“ Übersetzer:innen mit MA-Abschluss direkt in Übersetzung etwas beweisen müsste. Aber durch mein breiter gefächertes Studium und meine einschlägige Berufserfahrung hatte ich wiederum den Vorteil, dass ich die Praxis im Arbeitsalltag kannte. So konnte ich meine Kund:innen bei ihren Kommunikationsaufgaben noch besser unterstützen. Heute bin ich stolz auf meinen Weg, auch wenn mein Abschluss nicht 1:1 im Übersetzen oder Dolmetschen war.

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

  1. Auf die Erfahrung kommt es an: Schöpfe aus deinen bisherigen Arbeitserfahrungen und vermarkte sie so, dass potenzielle Kund:innen deinen Wert und deine Einzigartigkeit erkennen.

  2. Weiterbildungen: Das Lernen hört nie auf, egal in welchem Beruf. Aber gerade im Übersetzen gibt es immer wieder Änderungen und Trends, über die wir uns als Branchenexpert:innen informieren sollten (zum Beispiel das Gendern). Ich halte mich auch immer wieder über Tools und Technik auf dem Laufenden, weil ich quasi meine eigene IT-Abteilung bin, haha!

  3. Nicht schüchtern sein: Auf Plattformen wie LinkedIn oder Instagram kann man sich und sein Business super präsentieren. Das verlangt zwar anfangs etwas Mut, ist aber die beste Methode, um sich ein tolles Netzwerk an Kolleg:innen und künftigen Kund:innen aufzubauen. Fast alle meine heutigen Direktkund:innen habe ich über LinkedIn gefunden bzw. sie mich. Früher oder später auch wichtig: eine eigene Website.

Website: https://de.belindagracetranslating.com

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/belinda-grace-marketing-translation/

Instagram: https://www.instagram.com/bee_fizzle/

Helen Centner

© privat


Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du ermächtigte Übersetzerin geworden bist.

Ich bin ermächtigte Übersetzerin und Dolmetscherin für die Sprachkombination DE-EN. Meine Schwerpunkte sind u.a. Urkunden und notarielle Dokumente, Öffentlichkeitsarbeit und Medizin. Darüber hinaus biete ich Korrekturlesen/Lektorat und Coaching für die englische Sprache.  

Geboren bin ich in den Vereinigten Staaten. Ich kam 1983 nach Deutschland, um einer Karriere als Opernsängerin nachzugehen. Nach 19 Jahren als international tätige Opern- und Konzertsängerin, arbeitete ich dann noch 14 Jahren im Theaterbetrieb, u.a. als Chefdisponentin in Wuppertal und als künstlerische Betriebsdirektorin in Ulm. Aber so schön es war, wollte ich mich beruflich verändern. Ich habe mich weitergebildet, und wurde im Jahr 2012 Diplom-Übersetzerin und Sprachcoach. Seit 2014 bin ich beeidigt und Mitglied des BDÜ. Dies ist mein drittes Berufsleben, so zu sagen. Da ich eine angeborene Wissensbegier und eine Affinität für Sprachen habe, scheint mir das Übersetzen, Dolmetschen und Lehren die optimale Kombination zu sein. Ich kann dies ohne Altersgrenze ausüben. Es hält jung und bringt Freude.

Als „Gaby“ – Vincent (DEA) von Einojuhani Rautavaara – Theater der Landeshauptstadt Kiel.

Als „Hanna Glawari“ - Die lustige Witwe von Lehár – Theater der Landeshauptstadt Kiel.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteigerin in der Übersetzungsbranche?

Meine größte Herausforderung als Quereinsteigerin war Mut und Energie zu finden, mich als über 50-Jährige nochmals weiterzubilden. Dies geschah teilweise parallel zu meiner letzten Tätigkeit im Theaterbetrieb, abends und an den Wochenenden. Ich habe mich über das Berufsbild informiert, Vorbereitungskurse für die IHK Prüfung belegt, Rechtssprache Sommerkurse an der Hochschule in Germersheim besucht und vieles mehr. Da ich freischaffend sein wollte, habe ich bei EXINA (EXINA e.V. Existenzgründungs- und Innovationsförderungs-Agentur e.V.) in Wiesbaden Seminare gebucht, um mich über Gründungen, Steuerfragen, Versicherungsthemen, Businessplan und Marketing zu informieren. Man muss nicht nur übersetzen oder dolmetschen können, man muss auch sich für die „Business Seite“ des Berufs vorbereiten.

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

  1. Aus der heutigen Sicht, sich gut über den Beruf und Markt zu informieren, da es aufgrund von maschinellen Übersetzungen sich vieles im Wandel befindet.

  2. Überlege, ob es eine Nische gibt, wo du deine Stärke bzw. Kenntnisse einbringen könntest. Es gibt Fachgebiete, wo MT noch nicht effizient eingesetzt werden kann.

  3. Das Weiterbildungsangebot über die Fachverbände wahrzunehmen. Das Networking und der Wissenstransfer, die hier stattfinden, sind unbezahlbar.

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/helen-centner

E-Mail: centner.pollok@t-online.de

Telefon: 0611 42 80 272

Alexandra Beilharz

© Privat


Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du Literaturübersetzerin geworden bist.

Mein Name ist Alexandra Beilharz, ich wohne in Heidelberg und arbeite als Literaturübersetzerin aus dem Französischen. Meine Schwerpunkte sind Sachbuch, Klassiker und Dokumentarfilm.

Mein ursprüngliches Berufsziel war Modejournalistin, weshalb ich nach dem Abitur eine Ausbildung zur Modedesignerin in Berlin absolviert und ein geisteswissenschaftliches Studium (Romanistik und Lateinamerikanistik) an der Freien Universität angeschlossen habe. Außerdem habe ich ein Jahr in Paris studiert und angefangen, mich für eine wissenschaftliche Laufbahn zu interessieren.

Nach meiner Promotion wurde ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität Berlin. Diese Arbeit hat mir sehr gefallen, sowohl die literaturwissenschaftliche Forschung, als auch die Lehre. Dennoch hatte ich gelegentlich Zweifel, ob ich eine Habilitation (mit mittlerweile zwei Kindern) in angemessener Zeit schaffen und anschließend eine Professur erhalten würde. In den geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es weit mehr Nachwuchswissenschaftler als Stellen … Dazu kam das Gefühl, mich überwiegend auf einer Metaebene zu bewegen, zwar Texte zu analysieren, darüber jedoch die Nähe zur Literatur zu verlieren. Letztlich habe ich deshalb nach anderen beruflichen Möglichkeiten gesucht.

Zufällig bin ich auf eine interessante Weiterbildung zum Berufsbild „freies Lektorat“ gestoßen, habe beschlossen, meine Stelle an der Uni zu kündigen und ins kalte Wasser zu springen. Es war ein finanzielles Wagnis, das ich nur eingehen konnte, weil mein Mann einen klassischen „Brotberuf“ hatte.

2004 habe ich mich als freie Lektorin selbstständig gemacht. Ich habe auf der Frankfurter Buchmesse versucht, Kontakte zu knüpfen, die klassische Kaltakquise also. Meine ersten Aufträge waren im Schulbuchbereich, später kamen Reiseführer und Belletristik hinzu. Da ich sehr gut Französisch konnte und mich das Übersetzen gereizt hat, habe ich mich, außer als Lektorin, parallel als Übersetzerin aus dem Französischen beworben. Lange tat sich nichts, plötzlich bekam ich kurzfristig einen umfangreichen Sachbuch-Auftrag, weil jemand anderes abgesagt hatte.

Eine Zeitlang war ich als Lektorin und Übersetzerin tätig, mittlerweile arbeite ich ausschließlich als Übersetzerin sowie ab und zu als Autorin von journalistischen und literaturkritischen Beiträgen.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteigerin in der Übersetzungsbranche?

Die größte Herausforderung als Quereinsteigerin ins Literaturübersetzen war, überhaupt einen ersten Auftrag zu erhalten. Nach einem Zeugnis wurde ich nie gefragt. Die Qualifikation sind bereits erschienene Übersetzungen. Es kommt darauf an zu zeigen, dass man für das gewählte Fachgebiet qualifiziert ist.

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

1.) Keine Angst vor Akquise! Um an einen ersten Auftrag zu kommen, damit man eine Referenz hat, auf der man aufbauen kann, sollte man sich initiativ bei vielen Verlagen bewerben. Das kann dauern, ein zweites Standbein kann also nicht schaden.

2.) Spezialisierung: Keinesfalls sollte man „alles“ anbieten, sondern sich auf wenige Gebiete konzentrieren, in denen man z.B. durch Studium oder frühere berufliche Tätigkeiten über fundiertes Wissen verfügt. So konnte ich einen Verlag überzeugen, mir die Übersetzung des wagneristischen Fin de siècle-Romans Götterdämmerung von Elémir Bourges anzuvertrauen – diese Epoche war das Spezialgebiet meiner Dissertation.

3.) Unbedingt die Termine einhalten, weshalb man gerade für die ersten Übersetzungen lieber mehr Zeit veranschlagen sollte.

Website: www.alexandra-beilharz.de

Twitter: @alexbeilharz

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/alexandrabeilharz

Ralf Lemster

Website: Ralf Lemster Financial Translations GmbH

Twitter: https://twitter.com/rlft_gmbh

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/financialtranslations/

Else Gellinek

© Studio Wiegel, Münster

Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du Marketingübersetzerin und SEO-Texterin geworden bist.

Ich bin deutsch-amerikanische Marketingübersetzerin und SEO-Texterin für Englisch, d.h. ich helfe deutschen Unternehmen, auf englischsprachigen bzw. US-amerikanischen B2B Märkten sichtbarer zu werden – zunehmend im Bereich Nachhaltigkeit und Umwelt. Ich wohne seit vielen Jahren im schönen Münster, der Stadt des Dauerregens und der Hollandräder.

Zwar wusste ich schon immer, dass ich mit Sprache arbeiten wollte, aber ich habe eine Weile gebraucht, um das näher einzugrenzen. So habe ich eine Ausbildung als Buchhändlerin gemacht. Drei Jahre lang habe ich gefühlt jede Neuerscheinung verschlungen und bin in intensiven Kundenberatungsgesprächen zur routinierten Kundenkontaktlerin geworden. Zwei Jahre lang danach habe ich in einem wissenschaftlichen Buchservice US-Bibliotheken mit deutschen Monographien und E-Journals versorgt.

Das war alles schön, aber nicht genug. Also habe ich Allgemeine Sprachwissenschaften, Englisch und Psychologie studiert. Der Plan war, danach in die Verlagswelt zu gehen. Als es mit den Verlagsvolontariaten nicht so recht klappen wollte, habe ich mich spontan bei einer kleinen Übersetzungsagentur beworben. Dort wurde ich im agenturtypischen Überholtempo in die Arbeit als Übersetzerin gestürzt. Nach einem Jahr begann dann die Familienplanung und ich bin aus der Elternzeit in die Selbstständigkeit gestartet.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteigerin in der Übersetzungsbranche?

Quer in eine Agentur einzusteigen, war ein Glücksgriff für mich. Da habe ich direkt gelernt, mit Übersetzungssoftware, Zeitdruck und professionellem Lektorat meiner Werke umzugehen. Die Übersetzungsseite war also nicht die Herausforderung. Viel schwieriger fand ich den Start in die Selbstständigkeit. Da gab es so viele Fragen für mich: Krankenversicherung, Steuern, Rechnungsstellung, Marketing, Social Media, Kundenakquise … Vor allem mit kleinen Kindern im Schlepptau war das fast überwältigend. Ich habe mir dann auf verschiedenen Fronten Hilfe gesucht: einen Kurs zur Existenzgründung für grundsätzliche Klarheit, Eintritt in einen Berufsverband, um von erfahrenen Übersetzenden zu lernen, und schließlich hatte ich das Glück, dass eine wunderbare Mentorin mir über ein Jahr lang streng, aber liebevoll geholfen hat. Außerdem habe ich mir eine private Tutorin für die Vorbereitung auf die IHK-Übersetzer-Prüfung geleistet.

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

  1. Suche Dir Verbündete: Alleine kommt man nicht weit. Ob Berufsverband, Stammtisch, informelle Gruppierungen, oder Kolleg*innen auf Social Media ist zweitrangig. Hauptsache, es gibt Unterstützung und Wissensaustausch. Kolleg*innennetzwerke sind übrigens auch gute Quellen für Aufträge. 😊

    Allerdings ist meiner Meinung nach die Unterstützung in einem Berufsverband durch nichts zu ersetzen. Ja, als Quereinsteiger*in kann es schwierig sein, aufgenommen zu werden. Nicht alle haben aber die gleichen Zugangsvoraussetzungen. Es lohnt sich zu schauen, wo man Mitglied werden kann oder schon zumindest die erste Anbindung an den Verband bekommt.

  2. Hole Dir Qualifikationen im übersetzerischen Bereich: Expert*innenwissen im Fachgebiet, aus dem Du quereingestiegen bist, ist wunderbar. Es gibt aber Gründe, warum Übersetzungswissen ganze Studiengänge füllt. Lass‘ Dir dieses Wissen nicht entgehen!

  3. Baue Deine Selbstständigkeit vernünftig auf: Die meisten Übersetzer*innen sind freiberuflich unterwegs. Bei dem Wechsel aus einem Angestelltendasein in die Selbstständigkeit darfst Du keine Angst vor Papierkram und Zahlen haben. Stelle sicher, dass Du Deine Steuer- und Versicherungsaspekte klar hast. Und kalkulier‘ Deine Preise vernünftig!

Website: https://www.sprachrausch.com/

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/elsegellinek/

Heather McCrae

© privat

Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du technische Übersetzerin geworden bist.

Ich bin Heather McCrae, geboren 1960, technische Übersetzerin seit 1994. BSc Chemistry with German (Kingston University, London), MA in Translation (University of Surrey, Guildford). 

Ich hatte ein sehr ungewöhnliches Leben, in dem ich mit meinen Akrobaten-Eltern in einem Wohnwagen umherreiste und als Schlangenmensch (ja, wirklich!!) in Varietés in ganz Europa auftrat, und zwar vom Alter von 12 Jahren bis zu meinem 24. Ich glaube, meine Eltern haben viel dazu beigetragen, dass ich immer wissen wollte, wie die Dinge funktionieren, ich war immer neugierig und habe alles gelesen, was ich finden konnte. Und da ich in so vielen verschiedenen Ländern gelebt habe, kannte ich schon damals die verschiedenen Kulturen und Sprachen. Ich reiste danach weiter und lebte in Ländern wie der Schweiz und Griechenland, wo ich verschiedene Tätigkeiten ausübte, z. B. Antiquitäten restaurieren, Hotelzimmer reinigen, Touristen unterhalten usw., bis ich 29 war.

Heather McCrae als Miss Rainbow

Dann beschloss ich, nach England zu ziehen und ein Studium zu beginnen. Ich begann mit 6 GCSEs und einem Sekretariatskurs. Dann entschied ich mich, weiterzumachen und zu versuchen, an einer Universität zu studieren. Meine erste Wahl war Umweltwissenschaft, aber 1990 habe ich schließlich angefangen, Chemie mit Deutsch zu studieren. Der Chemieteil hat mir sehr gut gefallen. Mein Zwischenjahr als Chemiestudentin unter sehr eigenartigen Chemikern hat aber meine Träume, in diesem Bereich zu arbeiten, zunichtegemacht. Also beschloss ich, meine Sprachkenntnisse zu nutzen. Ich hatte das große Glück, einen Platz in einem Masterstudiengang für Übersetzung zu bekommen, und mein Lieblingsthema dort war technische Übersetzung. Nebenbei erwarb ich auch ein Zertifikat in Computerprogrammierung, einen einjährigen Japanischkurs und ein BTEC in mechanischer Fertigung. Ich mag es immer noch, Kurse zu machen, CPD und gehe auch gerne auf Fachkonferenzen für Übersetzer.

Ich gründete meine freiberufliche Tätigkeit 1994 in einem großen Wohnwagen im Garten meiner Eltern. Um Kunden zu finden, musste ich damals Telefonbücher durchblättern und so viele Briefe wie möglich schreiben. Es dauerte etwa 2 Jahre, bis ich wirklich so weit war, dass ich genug Geld verdiente, um eine kleine Wohnung mieten zu können.

Heute, fast 28 Jahre später, lebe ich in Hamburg, Deutschland, bin mit einem Deutschen verheiratet, habe eine Tochter und drei Hunde, übersetze ein breites Spektrum an technischen Themen, bilde mich weiter und knüpfe Kontakte zu Kollegen in aller Welt. Dadurch habe ich ein großes Netzwerk an Kollegen und wir unterstützen uns gegenseitig. Das ist wirklich eine tolle Sache. Und ich habe immer noch sehr viel Spaß, jeden Tag etwas Neues zu lernen.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteigerin in der Übersetzungsbranche?

Ich fand es nicht wirklich schwer ein neues Leben, als Übersetzerin anzufangen, denn ich hatte schon mein ganzes Leben mit Sprachen zu tun. Mit 20 konnte ich locker in Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch kommunizieren, danach kam noch Griechisch und ein klein bisschen Japanisch dazu. Jetzt, wo ich schon seit 28 Jahren hauptsächlich Deutsch und Englisch benutze, sind alle anderen Sprachen etwas eingerostet.

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

Als Quereinsteiger heute, würde ich sagen: Viele Kontakte knüpfen – besonders auf Social Media, wo es viele nützliche Gruppen gibt – immer Fragen stellen, vielleicht sogar einen Mentor finden. Sehr wichtig ist, sich immer weiterzubilden und viel zu recherchieren. Außerdem sollte man Anfragen immer zügig beantworten, pünktlich liefern und freundlich sein. Und, zuallerletzt, die beste Work-Life-Balance für dich finden!

Website: http://hjmtechnicaltranslations.de

Facebook: https://www.facebook.com/heatherjennifer

Holger Knoblauch

Erzähl uns bitte kurz, wer du bist, was du machst und wie du juristischer Übersetzer geworden bist.

Ich bin Rechtsanwalt und gerichtlich ermächtigter Übersetzer für Englisch und Deutsch. Nach meinem Jurastudium in Bonn, Würzburg, Dublin und Tokio war ich mehrere Jahre als Anwalt im Bereich Gesellschaftsrecht/Mergers & Acquisitions in einer internationalen Wirtschaftskanzlei tätig. Während eines zweijährigen Auslandsaufenthalts in Hongkong (2005-2007) gründete ich das Übersetzungsunternehmen hk:translations, das auf Fachübersetzungen in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Finanzen spezialisiert ist. Ich biete neben den Übersetzungen auch als Referent Seminare und Schulungen aus dem Schnittstellenbereich Recht/Übersetzung an und war vom SS 2017 bis zum WS 2019/20 Lehrbeauftragter der Uni Mainz/FTSK Germersheim für Übersetzungsübungen EN=>DE im Sachfach Recht.

Der konkrete Anlass für meinen Wechsel war das Angebot des Arbeitgebers meiner Frau, ab dem Sommer 2005 für ein paar Jahre nach Hongkong zu gehen. Die Tätigkeit als Übersetzer war zunächst nur für die Zeit im Ausland gedacht und bot sich als Ideallösung an: ich konnte im weitgehend selbstbestimmten Umfang von zuhause aus arbeiten (wir hatten zwei kleine Kinder); ich hatte umfangreiche Erfahrung im rechtlichen Fachenglisch (Studium, Auslandsaufenthalte, internationale Wirtschaftskanzlei); ich hatte in der Kanzlei oft englische Übersetzungen von juristischen Texten erstellt und solche Übersetzungen an externe Dienstleister vergeben und kannte daher den Übersetzermarkt (und den hohen Bedarf) in meiner Nische ganz gut.

Was war für dich deine größte Herausforderung, als Quereinsteiger in der Übersetzungsbranche?

Es war am Anfang ziemlich anstrengend, das Übersetzungstempo auf die benötigte Mindestgeschwindigkeit zu steigern. Ich hatte das Glück (jedenfalls aus unternehmerischer Sicht), gleich mit einem Großprojekt zu starten: ca. 700 Seiten Vertragsdokumentation für eine komplexe und zeitkritische Unternehmenstransaktion. Es war extrem zeitaufwändig, bei hunderten von juristischen und ökonomischen Fachbegriffen die ‚perfekte‘ Übersetzung zu recherchieren. Aber: von dem angeeigneten Terminologiewissen und den Kundenkontakten profitiere ich noch heute. Neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit musste ich mich damals natürlich zeitgleich auch in die Nutzung meines CAT-Tools (Trados Studio) einarbeiten und die ganze Palette der Selbstständigkeit abarbeiten: Unternehmensgründung, Buchführung, Rechnungserstellung, Steuerfragen usw. …

Ich hatte aber das große Glück, dass ich nicht auch noch aktiv Kunden akquirieren musste. „Glück“ nicht deshalb, weil mir das keinen Spaß machen würde (im Gegenteil!), sondern schlicht, weil es sehr zeitintensiv ist. Es war aufgrund meiner vielen Kontakte in die Anwaltsbranche von Beginn an so, dass ich nicht alle Kundenanfragen bedienen konnte und solche regelmäßig ablehnen musste.

Der Ausgleich zum Hauptberuf: Mein Musikprojekt „Holger’s Campfire Sing-Along“ – Mitsingkonzerte zur Gitarrenbegleitung mit Lagerfeuerklassikern

Was wären deine besten drei Tipps für eine Person, die als Quereinsteigerin in die Übersetzungsbranche durchstarten will?

  1. Wenn man den Zeitpunkt des Wechsels selbst bestimmen kann, sollte man einige Vorarbeiten (Unternehmensgründung; CAT-Tool etc.) noch vorher erledigen oder zumindest vorbereiten.

  2. Ganz entscheidend für den Erfolg ist aus meiner Sicht, das eigene Detail-Profil als Dienstleister genau zu definieren („Was kann ich in meinem Fachbereich wirklich gut und besser als andere?“) und auch den eigenen Zielmarkt genau zu kennen („Wen will ich als Kunden gewinnen und wer braucht meine Dienstleistung?“). Hierauf kann dann eine gezielte Werbung und Akquise aufbauen, aber auch die eigene Weiterbildung.

  3. Keine falsche Bescheidenheit bei den Preisen! Diese kommunizieren an potenzielle Kunden den Qualitätsanspruch und die Positionierung im Markt: wenn man seine Leistung kleinlaut für 1,10 Euro/Zeile anbietet, wird der Kunde die angebotene Qualität auch entsprechend einordnen. Wer stattdessen 2,20 Euro verlangt, kommuniziert eine ganz andere Qualitätserwartung – und muss fürs gleiche Geld nur noch halb so lange arbeiten ;-)  Natürlich muss die gelieferte Qualität die Erwartungen dann auch erfüllen …

    Website: www.hktranslations.com

    Website: www.campfire-singalong.com

    Facebook: @holgercampfiresingalong

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